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Blauer Stoff

Nachhaltige Färbemethoden

Biologische Farben als Wirtschaftsfaktor

01.07.2025

Einsparungen bei Wasser, Energie und Zeit, dafür mehr Transparenz und Unabhängigkeit: Nachhaltige Färbemethoden bieten der Textilindustrie zunehmend relevante Lösungen für drängende Probleme.

Lesedauer: 4 Minuten

In unserer Reihe „So kann’s gehen“ stellen wir diesmal zwei spannende Newcomer vor, die derzeit die Industriereife erreichen. Im ersten Teil starten wir mit dem französischen Startup Ever Dye. Im Teil zwei sind wir mit dem britischen Innovator Colorifix im Gespräch.

Die Zeit drängt: Noch immer gehen rund 20 Prozent der globalen industriellen Wasserverschmutzung auf die Textilindustrie zurück, ein Großteil davon verursachen schädliche und ineffiziente Färbeverfahren. Die gute Nachricht: Aus der Not zu handeln, wird zunehmend eine Tugend, die sich auch rechnet. Der Grund: Einige biologische Färbeverfahren lösen nicht nur das Umweltproblem, sondern liefern en passant auch handfeste Lösungen für akute Herausforderungen wie steigende Energie- und Transportkosten, Marktabhängigkeiten und intransparente Lieferketten. Auf diese Weise können nachhaltige Färbeverfahren zum handfesten Wirtschaftsfaktor für textilverarbeitende Unternehmen werden. 

Ever Dye: Magnetisierende Farben

Ever Dye hat ein Verfahren entwickelt, das das nachhaltige Färben von Textilien bei Raumtemperatur ermöglicht. Die Technologie bringt mehrere Vorteile mit sich: Sie kommt völlig ohne petrochemische Stoffe aus, braucht rund zehnmal weniger Energie als herkömmliche Methoden und ist dabei fünfmal schneller. Außerdem lässt sie sich ohne große Umstellungen in bestehende Produktionsanlagen integrieren und entfaltet daher schnell seine Effizienz. Gegründet wurde Ever Dye 2021 von Amira Erokh in der Nähe von Paris. Heute arbeitet das Startup unter anderem mit Marken wie Adore Me, Lacoste und Petit Bateau zusammen.

Amira Erokh
Amira Erokh, PhD, CTO und Co-Founder von Ever Dye

Amira Erokh, PhD, CTO und Co-Founder von Ever Dye, erläutert, warum der ROI sich bei dieser Technologie schneller einstellt als gedacht.

Ihre Farben sind im wahrsten Sinne des Wortes magnetisierend. Wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Tatsächlich haben wir ziemlich Gas gegeben vom Proof of Concept bis zur Marktreife heute. Nach unserem Start 2021 konnte wir schon Anfang 2022 unsere Patente in Brasilien, Canada, China, India, Japan, Europa und den USA anmelden und haben im selben Jahr die ersten 100ml Pigment-Proben und gefärbten Stoffe erzeugt. Im Jahr 2023 traten die ersten großen Modemarken in die Phase der Qualitätsentwicklung und Skalierbarkeit ein, und seit 2024 konnten wir eine erste Kapselkollektion im industriellen Maßstab auf den Markt bringen.

Blauer Stoff
Der Markt ist bereit: Das schöne Blau kommt bald raus. © Ever Dye
Orangener Stoff gerollt
Magnetisierend: Ever Dye ermöglicht das Färben ohne Hitze und Chemie und läuft auf allen Anlagen. © Ever Dye
Orangener Stoff
Orange, Braun und Gelb sind bereits in industriefähigen Mengen verfügbar. © Ever Dye
Gelber Stoff
Dieses Gelb spart 75 bis 95 Prozent der Energiekosten. © Ever Dye

Wie funktioniert Ihr Verfahren im Detail? 

Unsere Technologie löst zwei Probleme auf einmal: die Synthese und die Bindung der Farbstoffe. Das schaffen wir bei einer gleichzeitig optimalen Ökobilanz, da wir völlig auf erdölbasierende Farbstoffe verzichten. Stattdessen gewinnen wir die Pigmente aus organischen und anorganischen natürlichen Elementen, was die Farbe völlig ungiftig macht. Der Trick unseres Verfahrens ist die Kombination der Pigmente mit einem biobasierten organischen Polymerbindemittel. Diese ermöglicht eine perfekte elektrostatische Bindung – und zwar ohne Wärmeeinwirkung und in kürzester Zeit. In der Praxis läuft der Prozess in zwei Schritten ab: Die Vorbehandlung wirkt auf die Oberfläche der Faser ein. Dort schafft sie negativ geladene Verankerungsstellen, an denen im eigentlichen Färbeprozess die positiv geladenen Farbpigmente dauerhaft anhaften. 


Können Sie mit Ihrem Verfahren alle Farben erzeugen? 

Im Prinzip ja, aber so weit sind wir noch nicht. Wir haben es geschafft, innerhalb von nur vier Jahren, eine neue, bahnbrechende Technologie zu entwickeln. Das ist schon großartig. Marktfertig und mit allen Qualitätsstandards ausgerüstet sind die Farben Braun, Orange und Gelb. Als nächstes kommt ein sehr schönes Blau, das wir so gut wie fertig haben. Wie gut die Farben wirken, zeigt etwa die Kollektion von Adore Me. 

Frau im Katzenschalfanzug
Kommt gut im Markt an: Die Marke AdoreMe arbeitet mit Ever Dye zusammen. © AdoreMe
Frau im Katzenschalfanzug
Die natürlichen Farbtöne unterstreichen den nachhaltigen Anspruch. © AdoreMe

Die Textilindustrie ist extrem kostensensibel. Wie rechnet sich Ihr Verfahren für die Unternehmen? 

Noch ist die Farbe an sich etwas teurer als herkömmliche Produkte, aber dieser Unterschied amortisiert sich fast vollständig. Den größten Positiveffekt erzielen wir im Färbeprozess selbst, denn das kostenintensive Hochheizen fällt ja komplett weg. Die Praxis zeigt, dass die Unternehmen mit unserem Verfahren rund 75 bis 95 Prozent der Energiekosten einsparen. Dazu braucht die Nachbehandlung rund 30 Prozent weniger Wasser und vereinfacht auch dessen Aufbereitung immens. Die Lösung ist ungiftig, daher reicht ein einfacher mechanischer Filter, um das Wasser sauber ins Ökosystem zurückzuführen. Wie schnell sich der ROI einstellt, kann man sich ausrechnen, wenn wir weiter hochskalieren und gleichzeitig die Energiepreise und Klimaabgaben steigen. 


Es gibt immer Vorreitende und Zögernde. Wie reagiert der Markt auf Ihre Innovation?

Die Resonanz ist tatsächlich sehr gut. Ich meine, die Unternehmen werden so oder so etwas tun müssen und unsere Lösung hat den Vorteil, dass sie extrem niedrigschwellig ist: Ever Dye läuft auf allen vorhandenen Anlagen, das heißt, es braucht im Prinzip keine Investitionen. Und natürlich hilft es, wenn große internationale Modemarken ihr Commitment geben. Das sorgt für viel Interesse. 

Fazit

Das Blatt wendet sich. Hafteten nachhaltigen Färbeverfahren bis vor ein paar Jahren noch einige Makel an – hoher Preis, Abstriche bei der Qualität u.a. – überzeugen heute Unternehmen wie Ever Dye mit nachhaltigen Innovationen, die nicht nur niedrigschwellig sind, sondern sich für textilverarbeitende Unternehmen auch schnell rechnen. Es lohnt sich also, die Entwicklungen auf dem Markt genau zu beobachten. Daher stellen wir im Teil 2 dieses Artikels auch einen weiteren Player vor: Colorifix.

Kerstin Männer

Kerstin Männer

Kommunikationsberaterin und freie Journalistin

Kerstin Männer ist seit über 20 Jahren in der Welt des Interior Designs zu Hause. Ihren beruflichen Werdegang startet sie bei der Messe Frankfurt, seit 2011 lebt und arbeitet sie als Kommunikationsberaterin und freie Journalistin in Köln. Ihre besonderen Steckenpferde sind, dort nachzuhaken, wo die Themen Nachhaltigkeit, Transformation, Trend und Design aktiv angepackt werden, und Laufsport. „Vom Endspurt sind wir in Sachen „Welt retten“ sicher noch weit entfernt, aber es ist gut zu sehen, wie immer mehr Player das Tempo deutlich anziehen.“ Foto: Rosetime

Serie: So kann's gehen

Über die Serie

Die Herausforderungen für Unternehmen der Textilindustrie sind facettenreich und, einfach ausgedrückt, nicht ohne. Sie reichen von steigenden Kosten für Rohstoffe und Energie über Fachkräftemangel und Lieferketten bis hin zu den Megatrends Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Innovative Unternehmen nutzen ihre Chancen und generieren aus der Herausforderung ihr Businessmodell. Allein gelingt das allerdings selten. Netzwerke von Wirtschaft und Forschung sind gefragt.

In der Serie „So kann’s gehen“ stellen wir Unternehmen, Start-ups und Marktführer vor, die sich einem Problem nicht nur annehmen, sondern daraus ein zukunftsfähiges Business entwickelt haben.

Weitere Artikel der Serie:

Circular Economy ist keine Modeerscheinung

Einer für alle. Wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. (Teil 1)

Einer für alle. Wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. (Teil 2)

Einer für alle. Wie Kreislaufwirtschaft funktionieren kann. (Teil 3)

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