Textile Zukunft „Made in Hong Kong“: Zwei Labs revolutionieren Design und Produktion mit Biotechnologie sowie KI
11.06.2025
Zwei Vorreiter, ein Ziel: nachhaltigere und intelligentere Textilprozesse. Auf der Intertextile Shenzhen Apparel Fabrics zeigen NAMI und AiDLab eindrucksvoll, wie sie Färbung, Design und Qualitätskontrolle entlang der textilen Wertschöpfungskette transformieren.
NAMI zeigt, wie sich textile Färbung durch moderne Biotechnologie neu denken lässt
In einem Sektor, der seit Jahrzehnten von synthetischen, petrochemischen Farbstoffen dominiert wird, setzt das NAMI aus Hongkong (Nano and Advanced Materials Institute Ltd.) mit ihrem revolutionären Farbstoff „SustainaChroma“ neue Maßstäbe. Der bio-engineerte Farbstoff überzeugt durch seine ökologische Performance sowie technische Eignung für die industrielle Produktion.
Dr. Wylie O, Technical Manager bei NAMI, erklärt das Herzstück der Innovation: ein biosynthetischer Prozess auf Basis von Aminosäuren, gewonnen aus kostengünstigen Kohlenstoffquellen und gentechnisch modifizierten Bakterien.
Ein binäres Enzymsystem, das von Bakterien produziert wird, wirkt dabei als hocheffizienter Katalysator für eine schnelle und ertragreiche Farbstoffproduktion. Redox-responsive Zusatzstoffe, die während der Fermentation zugegeben werden, ermöglichen eine präzise Farbanpassung und beseitigen störende Stoffwechselzwischenprodukte.
„Das Ergebnis? Leuchtende, einheitliche Farben, die in Qualität und Performance auch konventionelle Verfahren übertreffen können.“
Diese Innovation ist aus vier Gründen ein echter Game Changer: Erstens sind die Farbtöne vollständig anpassbar und bieten exzellente Gleichmäßigkeit. Zweitens erzielen sie eine hohe Farbgleichmäßigkeit – mit Delta-E-Werten unter 1, was für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. Drittens verkürzt sich die Fermentationsdauer von beinahe einem Jahr auf lediglich 3 bis 5 Tage. Und viertens ermöglicht das Verfahren das sogenannte „One-Pot-Dyeing“: Die Fasern werden bereits während der Fermentation eingeführt und nehmen den Farbstoff direkt auf – was den Wasserverbrauch drastisch reduziert und toxische Chemikalien überflüssig macht.
Laborsimulationen zeigen eine CO₂-Einsparung von 52 % sowie bis zu fünffach niedrigere Produktionskosten im Vergleich zu herkömmlichen pflanzenbasierten Farbstoffen. „SustainaChroma“ erfüllt die ISO-105-Normen zur Farbechtheit und besteht strenge Hautverträglichkeitstests – essenziell für die Akzeptanz durch globale Modemarken.
Auch die Integration in bestehende Prozesse ist praktikabel: Fermentationsanlagen sind in der Lebensmittelindustrie gängige Praxis, und bestehende Garnfärbesysteme lassen sich für das NAMI-Verfahren anpassen. Aufbauend auf der technischen Skalierbarkeit der Laborergebnisse sucht NAMI nun Lizenznehmer, um die Textil- und Modefärbung auf diese Weise nachhaltiger zu gestalten.
Vollintegrierte KI: Wie AiDLab die Mode- und Textilproduktion in Design und Qualitätskontrolle neu definiert
Im globalen Wettlauf um Digitalisierung und Zukunftssicherung der Textilindustrie positioniert sich AiDLab an der Schnittstelle von Kreativität und Präzision. Unter der Leitung von Geschäftsführer Prof. Calvin Wong entwickelt das Unternehmen aus Hongkong KI-basierte Tools, die kreative Designprozesse wie auch industrielle Qualitätskontrolle mit KI auf ein neues Niveau heben.
Im Gegensatz zu gängigen generativen KI-Tools lässt sich der „Interactive Design Assistant“ (AiDA) nahtlos in bestehende Designabläufe einbinden. Das Besondere: Designer behalten laut Prof. Wong jederzeit die Kontrolle über ihre kreative Handschrift. Moodboards, Skizzen, Stoffmuster und Farbharmonien lassen sich in das KI-System hochladen, das daraus individuelle Designvorschläge generiert.
„Jeder Schritt ist bearbeitbar und interaktiv – keine Black-Box.“
Parallel dazu revolutioniert ihr Tool „WiseEye“ die textile Qualitätsprüfung in der Produktion. Das KI-gestützte Echtzeitsystem übertrifft die manuelle Sichtkontrolle sowohl in Genauigkeit als auch in Effizienz. „Mit WiseEye erreichen wir bis zu 95 % Prüfsicherheit – im Vergleich zu 50-70 % bei herkömmlicher visueller Inspektion“, erläutert Wong. Stoffgeschwindigkeiten von bis zu 35 Metern pro Minute lassen sich zuverlässig erfassen. Das System passt sich an verschiedenste Gewebestrukturen an – von gewoben bis gestrickt, von uni bis gestreift – und trainiert sich anhand von über 200.000 Bilddaten entlang der spezifischen Qualitätsstandards einer Produktionsstätte. Bereits nach wenigen Stoffrollen agiere WiseEye als maßgeschneidertes Expertensystem für die jeweilige Linie, sagt Wong.
Zukünftig möchten sie AiDA für weitere, auch nicht-textile, Anwendungsfelder ausbauen: etwa für Schmuck oder Modeaccessoires.
AiDLab zeigt, dass Künstliche Intelligenz mehr sein kann als reine Automatisierung. Die KI ist im besten Fall kreativer und enger industrieller Partner für eine intelligente textile Produktion.