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Serie: Waste or wasted?

Europäische Ökodesign-Verordnung: Produktregulierung für Textilien und Schuhe

18.09.2024

Interview mit Dr. Anno Oexle

Als zentraler Bestandteil des europäischen Green Deals trat die neue Ökodesign-Verordnung, (EU) 2024/1781, am 18. Juli 2024 in Kraft1. Die auch als Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) bekannte Verordnung ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie. Dadurch können nun nicht nur energieverbrauchende Produkte wie Waschmaschinen und Kühlschränke reguliert werden, sondern auch viele weitere Produkte wie Textilien und Schuhe. Der Anwendungsbereich für zukünftige Produktregulierungen wird damit deutlich erweitert.

Dr. Anno Oexle

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Dr. Anno Oexle, seit über 20 Jahren auf Umweltrecht und öffentliches Produktrecht spezialisiert, erläutert im Interview, welche Veränderungen konkret auf die Textilbranche zukommen und wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können. 

TEXPERTISE: Durch die ESPR wird das Vernichtungsverbot gebrauchsfähiger Produkte, allen voran Textilien und Schuhe, ermöglicht und voraussichtlich ab 2026 gelten. Welche Auswirkungen wird das Ihrer Einschätzung nach auf den Handel und Konsum dieser Produkte haben?

DR. ANNO OEXLE: Die ESPR verbietet ab dem 19. Juli 2026 die Vernichtung von unverkauften Verbraucherprodukten, die im Anhang VII der Verordnung gelistet sind (Art. 25 Abs. 1 ESPR). Dies sind in der gegenwärtigen Fassung des Anhangs VII bestimmte Arten von Kleidung, Bekleidungszubehör und Schuhe. „Vernichtung“ im Sinne der ESPR ist die vorsätzliche Beschädigung oder Entsorgung eines Produkts als Abfall, es sei denn, das Ziel ist die Wiederverwendung oder Reparatur. „Unverkaufte Verbraucherprodukte“ sind solche, die nicht verkauft wurden, wie überschüssige Ware oder zurückgegebene Artikel. Für mittlere Unternehmen gilt das Verbot erst ab dem 19. Juli 2030, während Kleinst- und Kleinunternehmen davon ausgenommen sind.

Der EU-Kommission wird die Befugnis übertragen, durch sogenannte delegierte Rechtsakte u.a. den Katalog von Produkten, die dem Vernichtungsverbot unterliegen, zu erweitern sowie Ausnahmen vom Vernichtungsverbot zu regeln. Letztere dürfen nur aus bestimmten, in der ESPR abschließend genannten Gründen vorgesehen werden; dazu gehören beispielsweise Gesundheits-, Hygiene- und Sicherheitsgründe sowie die die Unverkäuflichkeit aufgrund eines Verstoßes gegen Rechte des geistigen Eigentums (einschließlich gefälschter Produkte). Auch Schäden an Produkten, die festgestellt wurden, nachdem die Produkte zurückgegeben wurden, und die nicht kosteneffizient repariert werden können oder Fälle, in denen die Vernichtung die Option mit den geringsten negativen Umweltauswirkungen ist, gehören zu den Ausnahmegründen. Den delegierten Rechtsakt zur Regelung der Ausnahmen muss die EU-Kommission spätestens am 19. Juli 2025 erlassen.

Schuhe, Gürtel, eine Uhr und eine Hose liegen auf eiem weißen Boden
Die ESPR bildet zunächst nur den rechtlichen Rahmen für Regelungen der EU-Kommission. Die konkreten Ökodesign-Anforderungen müssen erst noch festgelegt werden. Sie sollen in der Regel für eine spezifische Produktgruppe (z.B. Lederschuhe) gelten.

TEXPERTISE: Was raten Sie Unternehmen, die sich jetzt schon auf die Verordnung einstellen möchten?

DR. OEXLE: Natürlich ist es in einem ersten Schritt sinnvoll, sich bereits heute mit der ESPR zu beschäftigen und deren Regelungsmechanismen zu verstehen. Es sollte analysiert werden, ob bzw. wie sich diese auf das Geschäftsmodell und die Produkte des jeweiligen Unternehmens auswirken können. Ganz wesentlich für die Praxis wird die Ausgestaltung des durch die ESPR gesetzten rechtlichen Rahmens durch die EU-Kommission sein, die wie bereits erläutert in Gestalt delegierter Rechtsakte erfolgen wird. Zum Beispiel in Bezug auf die Reichweite der Vernichtungsverbote und deren Ausnahmen, die Ausgestaltung des Produktpasses, sowie – ganz entscheidend – die Regelung der Ökodesign-Anforderungen für einzelne Produktgruppen. Die entsprechenden Rechtsetzungsprozesse sollten die betroffenen Unternehmen selbst oder über ihre Verbände eng begleiten und sich möglichst auch mit eigenen Vorschlägen einbringen.    

Serie: Waste or wasted?

Die Textilindustrie hat ein Abfallproblem. Mode und Heimtextilien sind in den letzten Jahrzehnten zur Massenware geworden und werden infolgedessen entsprechend oft entsorgt. Während zu viele Textilien schon vor dem Verkauf zu Abfall werden, wissen Verbraucher*innen oft nicht, wie man Alttextilien möglichst umweltschonend entsorgt.

Was passiert mit Textilien, nachdem sie entsorgt wurden? Und wie kann textiles Abfallmanagement in eine Kreislaufwirtschaft integriert werden?

In der Serie „Waste or wasted?“ stellen wir den aktuellen Stand zum Umgang mit Textilabfällen vor und zeigen Lösungen, wie der schädlichen Entwicklung entgegengewirkt werden kann.

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