Nachhaltigkeit trifft Hightech – Der Motor für textile Innovation
04.11.2025
Wenn Maschinen intelligenter, Prozesse effizienter und Materialien umweltfreundlicher werden, entsteht ein neues Paradigma: Nachhaltigkeit trifft Hightech.
Kaum eine andere Industrie steht so sinnbildlich für diesen Wandel wie die Textilbranche – von Faser bis Fashion, von der Beschichtung bis zum Designprozess. Wir stellen drei Unternehmen vor, die zeigen, dass Technologie und Nachhaltigkeit kein Gegensatz, sondern gegenseitiger Motor sind: Dilo, Michelman und Shima Seiki.
Mechanische Intelligenz: Neue Maßstäbe in der Vliesstoffherstellung
Mechanische Vernadelung gilt als eine der vielseitigsten Methoden in der Vliesstoffherstellung. Die Dilo Group arbeitet seit Jahrzehnten an deren Weiterentwicklung und richtet den Fokus dabei zunehmend auf Energieeffizienz. Die jüngste Entwicklung, MicroPunch, zeigt, wie sich mechanische Prozesse auch im Leichtvliesbereich wirtschaftlich und ressourcenschonend einsetzen lassen. „Wir sparen von ca. 75 bis 80 Prozent Energie gegenüber Wasserstrahlverfestigung“, erklärt Johann Philipp Dilo, Geschäftsführer des Familienunternehmens. Bislang wurden sehr leichte Vliese meist thermisch oder mit Wasserstrahl verfestigt. Mit MicroPunch macht Dilo die mechanische Vernadelung nun auch in diesem Gewichtsbereich möglich – und senkt den Energieverbrauch dabei um bis zu ca. 80 %. Ein entscheidender Schritt für eine nachhaltigere Produktion in Hygiene-, Medizin- und Bekleidungsanwendungen.
Zugleich steht hier Digitalisierung im Zentrum: Mit dem System DIConnect lassen sich Produktionsdaten, Energieverbrauch und Maschineneffizienz in Echtzeit überwachen. Intelligente Steuerungen – etwa das DILOWATT-System zur Luftstromoptimierung – senken zusätzlich den Energiebedarf an der Lufttechnik, welche bis zu ca. 50 % des Gesamtenergiebedarfs betragen kann.
„Wir reduzieren nicht nur Kosten, sondern den CO₂-Footprint drastisch.“
Quelle: Dilo Systems GmbH
Recycling spielt bei Dilo eine zentrale Rolle – und das schon aus technischer Tradition. Die Wurzeln der Vernadelungstechnologie reichen bis ins späte 19. Jahrhundert zurück, als textile Abfälle und Faserreste erstmals mechanisch zu neuen Materialien verfestigt wurden – etwa für Polster, Matratzen oder Automobilinterieurs.
Dilo knüpft an diese historische Idee an und bietet heute komplette Recyclinglinien an, die Altfaserströme in hochwertige Vliesstoffe verwandeln. Gemeinsam mit Partnern wie Dell’Orco & Villani (Faserrückgewinnung) und TechnoPlants (aerodynamische Vliesbildung) entstehen moderne, energieeffiziente Lösungen für verschiedenste Anwendungen. So wird Hightech-Mechanik zum Werkzeug einer gelebten Kreislaufwirtschaft.
Chemie ohne Kompromisse für nachhaltige Funktionalität
Während Dilo auf mechanische Prozesse setzt, liefert Michelman, mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten und Produktionsstätten in Nordamerika, Europa und Asien, die chemische Basis für nachhaltige Performance. Das Unternehmen entwickelt wasserbasierte Beschichtungen und Bindemittel, die textile Materialien funktionalisieren – und verzichtet dabei konsequent auf umweltschädliche PFAS. Die Produktlinie Unyte® ist ein Paradebeispiel: Sie bietet Haftung, thermische Stabilität, Wasser- und Ölresistenz – und bleibt dennoch umweltverträglich.
Fotos: Michelman
„Alles, was Michelman macht, ist auf Wasserbasis. Wir sind Experten für lösungsbasierte Oberflächenmodifikatoren. Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“, betont Lauren Hickey, Senior Manager Global Marketing. Die wasserbasierten Systeme erreichen die gleiche Abrieb- und Wasserbeständigkeit wie PFAS-Beschichtungen – nur eben ohne deren ökologische Risiken.
Michelman versteht Nachhaltigkeit als zirkulären Prozess: Die Beschichtungen verbessern nicht nur die Nutzungseigenschaften, sondern lassen sich auf recycelte Fasern erneut aufbringen – so verlängern sie den Lebenszyklus von Materialien. Gleichzeitig fordert das Unternehmen ein Umdenken: Nicht jede Anwendung braucht maximale Ölresistenz, wenn Haftung und Abriebfestigkeit genügen.
„Worauf es jetzt ankommt, ist, die entscheidenden Leistungsanforderungen wirklich zu verstehen – nicht alles muss überengineert sein.“
Mit dieser Philosophie hat Michelman drei Jahre in Folge die EcoVadis-Gold-Bewertung erhalten und positioniert sich als Treiber einer neuen Generation smarter, grüner Textilchemie.
Nahtlos digital: Design, Produktion und Kreislauf
Am anderen Ende der textilen Prozesskette zeigt Shima Seiki, wie digitale Hightech-Lösungen den Modemarkt verändern. Das japanische Unternehmen gilt als Erfinder des WHOLEGARMENT®-Strickens – einer Technologie, bei der Kleidungsstücke nahtlos in einem Stück gefertigt werden. Dadurch entfallen Verschnitt und Nähabfälle vollständig: „Ein einzelnes Kleidungsstück erzeugte früher rund 130 Gramm Abfall – bei 1.000 Teilen sind das 130 Kilogramm“, erläutert Yuen Yim vom Digital Solution Team.
Mit der Verbindung aus digitalem Design (APEXFiz®) und computergesteuerter Fertigung entsteht ein durchgängiger, ressourcenschonender Produktionsprozess: virtuelle 3D-Muster ersetzen physische Samples, wodurch Zeit, Energie und Material gespart werden. „Unsere Kund*innen verkürzen ihre Entwicklungszeiten um über 50 Prozent und senken die Kosten um 60 Prozent“, berichtet Yim.
Fotos: Shima Seiki
Das G2G-Projekt zeigt, wie alte Kleidung direkt vor Ort in neue Modestücke verwandelt werden kann. Quelle: Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel
Gleichzeitig öffnet die Technologie Türen für neue Geschäftsmodelle – von customer-to-manufacturer-Ansätzen bis hin zu Microfactories, die recycelte Garne vor Ort in neue Mode verwandeln. Ein Beispiel ist das G2G-Projekt („Garment to Garment“) des Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel, das veranschaulicht, wie aus gebrauchten Kleidungsstücken in einem Container-Store neue Mode entsteht.
„Nachhaltigkeit ist kein Kostenfaktor – sie ist eine Chance“, sagt Yim. Und tatsächlich: Digitalisierung, Individualisierung und Kreislaufgedanke verschmelzen hier zu einem System, das Kreativität und Klimaschutz vereint.
Fazit: Die textile Zukunft ist hybrid – und ganzheitlich grün
Ob mechanische Effizienz, chemische Innovation oder digitale Intelligenz – die drei Unternehmen zeigen, dass Nachhaltigkeit im textilen Kontext nicht Verzicht bedeutet, sondern technologischen Fortschritt.
Dilo macht aus mechanischer Energieeffizienz eine marktfähige Lösung für Leichtvliese, Michelman beweist, dass Chemie und Umweltbewusstsein zusammenpassen, und Shima Seiki zeigt, dass Designsoftware und Stricktechnik gemeinsam zu einer nahezu abfallfreien Modeproduktion führen können.
Der gemeinsame Nenner: Nachhaltigkeit in Kombination mit Hightech ist gelebte Praxis entlang der textilen Wertschöpfungskette – von der Faser bis zum Fashion-Retail. Die Zukunft der Textilindustrie wird nicht nur nachhaltiger, sondern auch smarter, vernetzter und kreativer denn je.
Titelbild: Das G2G-Projekt („Garment to Garment“) des Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel. Quelle: HKRITA