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Konferenzraum mit Schallschutz

Interior Design

Gute Raumakustik mit Schafwolle

12.08.2025

Wie kann Schafwolle als Hightech-Material in der Raumakustik überzeugen – und dabei noch zu 100 % verwertet werden?

Lesedauer: 3 Minuten

Friedrich Baur führt gemeinsam mit seinem Bruder die Baur Vliesstoffe GmbH in Dinkelsbühl, die 1913 gegründet wurde – damals unter anderem Namen und als Wollwäscherei, Spinnerei und Walkerei. Heute produziert das Unternehmen Vliesstoffe aus Schafwolle und Polyester, die in den unterschiedlichsten Produkten zum Einsatz kommen. Beispielsweise in Matratzen oder als Dämmstoffe in der Bauindustrie.

Das Herz von Friedrich Baur schlägt allerdings für Schafwolle. Das spürt man spätestens beim Firmenrundgang, wenn er in die riesigen, fest zusammengepressten Wollballen greift und einem eine Handvoll des natürlichen Materials in die Hand drückt. Diese Verbundenheit zur Schafwolle war es auch, die ihn 2010 das Label Swisswool gründen ließ. Damals erreichte ihn eine Anfrage des Schweizer Schafzuchtverbandes, der keine Abnehmer mehr für seine Wolle hatte. Mit der Schweizer Matratzenindustrie als Abnehmer im Rücken machte sich Friedrich Baur daran, Sammelstellen in der Schweiz einzurichten, zu der die Schafbauern ihre Wolle, die zweimal im Jahr anfällt, bringen können und einen fairen Preis dafür bekommen.

Schafe in den Bergen
Die Schweizer Schafe sind nicht nur Wolllieferanten, sondern dienen in erster Linie der Landschaftspflege sowie der Milch- und Fleischproduktion. Foto: Baur Akustik GmbH/Woopies

Die eigentliche Herausforderung lag nun darin, all die Wolle zu verarbeiten. „Schafwolle ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, aber wertvoll bis zur letzten Faser“, so Baur. Sie findet demnach Einsatz in Vliesstoffen, Dämmung und eben den „Woopies“. Reste und Abfälle werden je nach Qualität zu Biodünger-Pellets oder Füllmaterial verarbeitet. Ausgestanzte Teile aus den festeren Rücken der „Woopies“ werden im Upcycling zu Lampen oder Accessoires – es gilt das Zero-Waste-Prinzip.

Wie kam es jetzt aber nun zu den „Woopies“? „Vliese und Dämmstoffe aus Schafwolle sind zwar toll, verschwinden aber mit ihrer Verarbeitung hinter der Wand oder in Textilien. Ich wollte aus der Schafwolle ein schön anzuschauendes Produkt entwickeln, das man auch anfassen kann. Wir haben 2010 angefangen, Wolldämmstoffe thermisch zu verformen, woraus schließlich die ,Woopies‘ entstanden sind“, erzählt Baur. 2011 erfolgte die Anmeldung eines Gebrauchsmusters für thermisch verformbare Akustik-Paneele.

2014 entstand schließlich in Zusammenarbeit mit einer Agentur der Markenname „Woopies“. 2020 wurde das Unternehmen Baur Akustik GmbH gegründet, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und sich zukunftsfähig aufzustellen. Der Erfolg der „Woopies“ liegt laut Baur in ihrer nachweisbaren Funktionalität über ein breites Frequenzspektrum und in ihrer klaren Formensprache begründet. Nicht zuletzt überzeugen die Akustik-Elemente durch ihre Materialität: „Schafwolle ist ein tolles Material. Sie absorbiert nicht nur Schall und reduziert Nachhall im Raum, sie baut ganz natürlich Schadstoffe ab, neutralisiert Gerüche, ist anti-allergen und reguliert die wechselhafte Luftfeuchtigkeit im Raum.“

Konferenzraum mit Schallschutz
Bei der Formensprache sind kaum Grenzen gesetzt – auch Sonderanfertigungen können in der Manufaktur von Baur Akustik umgesetzt werden. Foto: Baur Akustik GmbH/Woopies
Arbeitsplatz mit Schallschutz
Bei der Formensprache sind kaum Grenzen gesetzt – auch Sonderanfertigungen können in der Manufaktur von Baur Akustik umgesetzt werden. Foto: Baur Akustik GmbH/Woopies

In der Zwischenzeit ist das Portfolio deutlich gewachsen. Neben klassischen Wandpaneelen sind Deckensegel, Stellwände, Raumteiler, Tischaufsätze und Basssäulen hinzugekommen. Dabei besteht der Absorberkern zu 60 % aus Schurwolle – davon 60 % recycelt, und zu 40 % aus textiler Bindefaser. Sie verfügen über einen fest verpressten Rand und eine Oberfläche aus hochwertigem Loden, der zu 100 % aus Schurwolle in 50 Farben gefertigt wird. Eingeführt wurde zudem eine „Light“-Variante. Der Unterschied: Sie hat offene Kanten und kann damit in vielfältigen Formen, Designs und Größen realisiert werden. Seit vergangenem Jahr gibt es zudem die „Woopies Light RE“. Hier besteht die Oberfläche aus Nadelfilz in fünf Farben, der aus recycelten Altkleidern hergestellt wird. 

Damit aber noch nicht genug: Mit dem Raumakustikexperten Michael Fuchs hat das Unternehmen einen Raum-Akustik-Planer (RAP) speziell für die „Woopies“-Akustikpaneele entwickelt. Zudem können Messungen nach DIN ISO3382-03 durchgeführt werden, auf Basis derer eine fundierte Expertise erstellt wird.

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt aber in diesem Jahr bei Friedrich Baur. Erstmals in 20 Jahren konnte er im Frühjahr die Wolle der Schweizer Schafbauern nicht abnehmen. Das liegt in erster Linie am Nachfragerückgang aus der Matratzen- und Dämmstoffindustrie. Für den Herbst, wenn die zweite Schur ansteht, zeigt sich Baur aber zuversichtlich. Und er tut alles dafür, die Nachfrage stabil zu halten und investiert in neue Absatzmärkte, digitale Vertriebskanäle und Kommunikation. Zudem hat er eine erste Teppichkollektion aus Walliser Schwarznasenschafwolle präsentiert, die gemeinsam mit der Schweizer Designerin Claudia Caviezel entstanden ist.

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