Spielertrikots, Spielerhosen, Spielerschuhe – würde man Textilien aus den Stadien der Fußball-Europameisterschaft verbannen, wäre die Euro 2024 sofort abgepfiffen. Doch neben ihrem offensichtlichen Einsatz als Spielerkleidung tauchen Textilien im Stadion noch in vielen weiteren Bereichen auf. Anruf beim Textilexperten Kai Nebel vom Texoversum der Hochschule Reutlingen: „Textilien erfüllen bei jeder EM vielerlei Aufgaben und punkten mit ihrer anwendungsspezifischen Vielfalt“, sagt Nebel. Dann schießen Sie mal los, Herr Nebel: „Die auffälligen Fahnen der Linienrichter sind ebenso aus Textilien wie Eckfahnen, Tor- und Ballfangnetze, Stirnbänder, Handtücher sowie Sport-, Getränke- und Ausrüstungstaschen. Wenn Spieler sich verletzen, sind Medizintextilien die Ersthelfer in Form von Bandagen, Tapes, Verbänden und Pflastern. Sie finden sich außerdem in Torwarthandschuhen, in den Sitzen des Trainerteams am Spielfeldrand, schweben oft als Stadiondach hoch über den Köpfen der jubelnden Fans und stabilisieren mitunter als Geotextilien den Rasen.“ Auch im Inneren von Fußbällen sind Textilien zu finden, wie der deutsche Sportartikelhersteller Derbystar bestätigt.
Textilien im Herzstück des Fußballs
Das Unternehmen, das seit 1963 Fußbälle herstellt, hat zwar nicht den offiziellen EM-Ball produziert, ist aber offizieller Balllieferant der deutschen Bundesliga. Für seine Fußbälle verwendet Derbystar Unterklebungen aus Textilfasern. Dabei kommen zwischen 20 und 25 verschiedene Mischungen aus Polyester, Baumwolle und Viskose zum Einsatz. Die einzelnen Schichten werden zusammen verarbeitet und verleihen dem Ball Festigkeit, Struktur und sorgen zudem für ein gutes Sprungverhalten. Beeindruckend: Jeder Bundesliga-Fußball von Derbystar ist handgenäht. Mit insgesamt 630 Doppelstichen und 60 Eckstichen werden die einzelnen Panels vernäht. Bis zu drei Stunden brauchen speziell ausgebildete Näherinnen und Näher, um aus der Blase, einem 18 Meter langen Faden, 20 Sechsecken und 12 Fünfecken den fertigen Ball zusammenzunähen, der am Ende mit einem Doppelknoten verschlossen wird.
Tornetze aus PLA in Adidas-Arena am Berliner Reichstag
Ganz ohne Knoten kommt dagegen ein anderer unverzichtbarer Bestandteil jedes Fußballspiels aus: die Tornetze. Sie bestehen in der Regel aus gewirkten Kunststofffasern wie Polyethylen oder Polypropylen. Gewirkte Tornetze haben den Vorteil, dass sie auch ohne Knoten robust, formstabil und trotzdem elastisch sind. Schließlich müssen Tornetze nicht nur witterungsbeständig sein, sondern auch scharf geschossenen Bällen standhalten, ohne zu reißen.
Fun Fact
Top-Spieler erreichen mitunter Schussgeschwindigkeiten bis zu 180 km/h und mehr. Der schnellste jemals gemessene Schuss stammt vom brasilianischen Fußballerspieler Ronny Heberson, der 2007 einen Freistoß mit sagenhaften 210,9 km/h (131 mph) ins Netz beförderte.
Bei der Firma Manfred Huck kennt man sich mit Tornetzen besonders gut aus. Seit 1963 stellt das Unternehmen unter anderem Sport- und Schutznetze auch für den Fußball her. „Unsere Netze sind regelmäßig bei Europa- und Weltmeisterschaften und in Fußballprofiligen im Einsatz“, sagt Geschäftsführer Stefan Huck. „Auch für diese EM haben wir Netze geliefert.“ Weil Nachhaltigkeit auch im Fußball immer wichtiger wird, produziert Huck längst auch Tornetze aus abbaubaren Materialien wie PLA (Poly Lactic Acid). PLA ist industriell kompostierbar, da es aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr, Mais oder Kartoffeln hergestellt wird. In den Stadien der EM 2024 sind die PLA-Tornetze von Huck zwar noch nicht im Einsatz – am Rande davon aber schon. So hat der Sportartikelhersteller Artec die Tore des Soccer-Courts in der Adidas-Fan-Zone vor dem Berliner Reichstag mit den umweltfreundlichen Huck-Netzen bespannt. „Optisch sind sie nicht von herkömmlichen Tornetzen zu unterscheiden, wie sie gerade in den EM-Stadien im Einsatz sind“, sagt Artec-Geschäftsführer Dirk Beinkämpen.
„Sobald die UEFA uns besucht, geht’s an die Planungen“
Spätestens seit dem Mikroplastik-Verbot der EU stehen viele Fußballvereine sowie Städte und Kommunen als Betreiber von Fußballplätzen vor der Frage: Wie lassen sich Kunstrasenplätze für den Nachwuchs, darunter die Fußballprofis von morgen, erhalten? Eine mögliche Antwort darauf kommt aus der Textilindustrie. So haben das TFI – Institut für Bodensysteme an der RWTH Aachen und das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen gemeinsam mit der Firma Morton Extrusionstechnik einen biobasierten Kunstrasen entwickelt, der ganz ohne Mikroplastik auskommt. Der vollständig recycelbare Rasen mit dem Namen „BioTurf“ wird aus Raps und Abfallprodukten aus der Landwirtschaft hergestellt und ist nach Angaben der Institute eine „Weltneuheit“. Knapp ein halbes Jahr lang wurde der „Sportrasen der Zukunft“ in einer kleinen Soccer-Box „trainiert“ und ist nun offenbar bereit für sein Debüt als Profi: „Die Vorbereitungen für die Installation in Fußballanlagen laufen“, sagt Post. Und wann wird das erste EM-Finale auf dem neuen Textilrasen ausgetragen? Nicole Espey, die den BioTurf seitens des ITA betreut, antwortet darauf nur halb im Scherz: „Sobald die UEFA uns besucht, geht´s an die Planungen.“
Helden hinter den EM-Kulissen und auffällige Ballkids
Unzählige Helferinnen und Helfer, ob Greenkeeper, Busfahrer*innen oder Reinigungskräfte, sorgen hinter den Kulissen einer Europameisterschaft dafür, dass das globale Großereignis glanzvoll über die Bühne gehen kann. Das Familienunternehmen Engelbert Strauss, einer der weltweit führenden Hersteller von Berufskleidung und Arbeitsschuhen, ist in diesem Jahr erstmals offizieller Partner der Europameisterschaft. „Wir unterstützten als offizieller Workwear-Partner der UEFA EURO 2024™ die Macherinnen und Macher in allen Arbeitsfeldern hinter dem Mega-Event“, bestätigt Strauss. Besonders ins Auge bei der Euro 2024 fallen die Ballkids in ihren violetten Trikots. Die 612 Mädchen und Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren stehen bei allen 51 EM-Spielen am Spielfeldrand, um den Spielern die Bälle zurückzuwerfen, die im Aus landen. Ihre Trikots stammen ebenfalls von Strauss. Dass sie so auffällig sind, ist Absicht. Strauss erklärt: „Bei der Kleidung der Ballkids ist wichtig, dass die Spieler auf dem Feld sie am Spielfeldrand sofort erkennen. Neben dem auffälligen Violett der Trikots sind deshalb die Ärmel mit Farben aus dem High-Visual-Arbeitsschutz bedruckt.“
Absichtlich auffällig: Damit die Spieler sie gut erkennen können, tragen die Ballkids violette Trikots von Strauss, die auf den Ärmeln zusätzlich mit Farben aus dem High-Visual-Arbeitsschutz bedruckt sind. Quelle: Strauss