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Wolle in verschiedenen Farben

Interview mit Caroline Hyde-Brown

Eine neue Denkweise weben

20.05.2025

Caroline Hyde-Brown ist eine britische Textilkünstlerin und Designerin, die sich in ihrer Arbeit auf die Erforschung traditioneller Handwerkstechniken und natürlicher Materialien konzentriert.

Lesedauer: 4 Minuten

Woran arbeiten Sie gerade?

Caroline Hyde-Brown: Ich züchte auf meinem Weideland eine ausgewählte Sorte dürreresistenter Gräser, Blumen und Pflanzen, die ich für meine Arbeit verwenden möchte. Für die Flechtarbeiten ernte ich hauptsächlich Gräser wie Steppenschwingel und für die Ranken ziehe ich riesige Sedum- und Hartriegelbüsche auf. Wenn man mit Pflanzenfasern flechten möchte, ist der Zeitpunkt der Ernte entscheidend. Glücklicherweise ist die Entwicklung der dürreresistenten Pflanzen ziemlich vorhersehbar. Sie kommen mit Staunässe, Kälte als auch mit trockenen Böden gut zurecht und sind resistent gegen Krankheiten und Schädlinge. 

Ich habe Webstühle und Rahmen in verschiedenen Größen – auf diesen experimentiere ich mit dem Pflanzenmaterial, um es für die beiden Fadenläufe "Schuss" und "Kette" zu verwenden Der kleinste tragbare Webrahmen, der nur 15 Zentimeter misst, ist meine Lieblingsgröße. Bei diesem verwende ich Hanf-, Brennnessel- oder Baumwollfasern für die "Kette", um die Festigkeit und Elastizität zu erreichen.

“Wir laufen Gefahr, uns zu sehr auf die neuesten Entwicklungen zu konzentrieren, anstatt handgefertigte Textilien und die Menschen, die sie herstellen, wertzuschätzen.”

Caroline Hyde-Brown

Sie arbeiten auch mit freiem Maschinensticken. Wie kann ich mir das vorstellen?

Caroline Hyde-Brown: Ich habe mich auf eine Stickerei namens Vermicelli spezialisiert, der ich eine moderne Note verleihe. Diese ist in der Arbeit kaum sichtbar, da ich Transparentpapier verwende, sodass es aussieht, als würden die Fäden auf dem Tüll oder dem feineren Maulbeerbaumpapier schweben.


Sie haben als Textildruckdesignerin und Textildesignerin in der Industrie gearbeitet. Wie haben Sie Ihre industrielle Perspektive auf Textilien mit Ihrer Wertschätzung für die Natur in Einklang gebracht?

Caroline Hyde-Brown: 1995 nahm ich an der Ausstellung "New Designers" im Business Design Centre in Islington teil und stellte eine Reihe von bestickten Stoffen und Beleuchtungskörpern aus. Meine Arbeit wurde mit dem Graduate Showcase Award ausgezeichnet. Das gab mir den Anstoß, mich für ein Stipendium zu bewerben, um an den Knitting and Stitch Shows in Dublin, Harrogate und im Alexandra Palace in London teilzunehmen. Nach meinem Abschluss konnte ich über das Arts Council an einem Business-Seminar von Dr. Janet Summerton teilnehmen, was mir den Einstieg in die Selbstständigkeit sehr erleichterte. Ich begann an Designideen mit Gerberablüten, Seide und Gypsophila zu arbeiten, um Oberflächen mit Pflanzenfasern nachzubilden, erstellte Valentinstag- und Frühlingskollektionen für Liberty PLC London und die John Lewis Partnership UK sowie Aufträge für das japanische Kaufhaus Takashimaya.

Sollte die Modebranche sich das traditionelle Wissen über Fasern und Pflanzen genauer ansehen?

Caroline Hyde-Brown: Ich denke, es ist noch ein langer Weg. Die aktuelle Branche folgt der Regel, den Gewinn zu maximieren und den Zeitaufwand zu minimieren. Dennoch gibt es Nischen mit kreativen Menschen, die andere Wege beschreiten. Ich bin überzeugt, dass die nächsten Generationen Pionierarbeit für nachhaltige Mode leisten werden, um ein Gleichgewicht und Harmonie in unseren natürlichen Ressourcen zu fördern. Perfekte Farben und preisgünstige Modeketten werden vorerst nicht vom Markt verschwinden, dafür sind sie zu fest etabliert.


Spielt KI in diesem Zusammenhang eine Rolle?

Caroline Hyde-Brown: Bei einer Modenschau habe ich ein von KI generiertes Outfit aus dem natürlichen Verbundwerkstoff Hanfbeton gesehen. Man könnte argumentieren, dass KI die Effizienz verbessert, Abfall reduziert und für nachhaltige Praktiken steht, aber ich bin nicht überzeugt. Wir laufen Gefahr, uns zu sehr auf die neuesten Entwicklungen zu konzentrieren, anstatt handgefertigte Textilien und die Menschen, die sie herstellen, wertzuschätzen. Dies birgt die Gefahr einer Homogenisierung, die zu einer Verringerung der Individualität und Kreativität sowie der Qualität und Attraktivität führen könnte.


Was ist das Ziel des Forschungsprojekts "Waste not"?

Caroline Hyde-Brown: Das war eine fantastische Zusammenarbeit namens "New Landscapes", ein Pilotprojekt und Förderprogramm in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Mode, Textilien und Technologie der University of Arts London (UAL). Meine Kollegin Ummi Junid von Dunia Motif lebt in Malaysia und Großbritannien, sie ist Batikkünstlerin und Naturfärberin. Für das Projekt analysierten wir Lebensmittelabfälle aus Großbritannien und Malaysia, indem wir natürliche Färbeverfahren durchführten. Ich verwendete pflanzliches Beizmittel, um die Farbe auf dem Stoff zu fixieren, Ummi arbeitete mit Alaun und Salz. Wir hatten nur sechs Monate Zeit, aber in dieser Zeit realisierten wir Workshops und eine Ausstellung sowie einen abschließenden Bericht.

Sammlung von Teebeutel- und Bananenschalenabfällen
Sammlung von Teebeutel- und Bananenschalenabfällen zum Färben von Textilien. Foto: Caroline Hyde-Brown

Könnten diese Erkenntnisse in industrielle Prozesse umgesetzt werden?

Caroline Hyde-Brown: Die Farben waren für den industriellen Einsatz nicht perfekt genug, weil unsere Chargen sehr klein waren. Außerdem hätte der Prozess der Sammlung und Verarbeitung der Lebensmittelabfälle in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit geändert werden müssen. Die Technologie wurde entwickelt, sodass wir theoretisch Lebensmittelabfälle zum Färben von Kleidung verwenden könnten. Es gibt viele Start-ups und Forschungsarbeiten zu alternativen Abfallströmen, sowohl für die Farbstoffe als auch für die Beschichtungen der Stoffe. Ich bin sicher, dass wir in den kommenden Jahren eine Verlagerung hin zur Verwendung innovativer Biomaterialien erleben werden. Doch die Modebranche bleibt stur linear, enorm verschwenderisch und umweltschädlich mit dem "Take-Make-and-Waste-Modell", das für zwanzig Prozent der globalen Umweltverschmutzung verantwortlich ist. 


Gab es bei dieser Forschung ein Ergebnis, das Sie überrascht hat?

Caroline Hyde-Brown: Es gab viele Überraschungen, vor allem in Bezug auf das Beizmittel. Ich habe Pflanzenarten untersucht, die reich an Zellulose und Tannin sind. Tannin als Zusatz zu einem Färbebad war etwas, das ich erforschen wollte. Pflanzen wie Brennnessel, Echtes Johanniskraut, Wiesenkerbel, Beinwell wurden mit Teebeuteln, Bananenschalen, Traubentrester und Zwiebelschalen gemischt, was eine interessante Farbpalette ergab. Obwohl das Projekt nun abgeschlossen ist, führe ich weitere Studien durch. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten und Finanzierungsquellen, um die Forschung voranzutreiben. Holz ist reich an Tannin, was die Aufnahme und Fixierung von Pflanzenfarbe begünstigt. Es wäre fantastisch, eine Reihe von Möbeln mit dieser Färbetechnik zu entwickeln.

Handgefertigter Schuh aus Gras-Erbsen-Abfällen
Handgefertigter Schuh aus Gras-Erbsen-Abfällen. Foto: Caroline Hyde-Brown

Was würden Sie in den nächsten zehn Jahren gerne erforschen?

Caroline Hyde-Brown: Ich möchte meine Forschung im Bereich Botanik und Pflanzen fortsetzen und mein Diplom in Botanik abschließen. Meine eigene kreative Praxis sollte ökologische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen widerspiegeln. Hoffentlich wird mein Buch "Forage & Stitch" andere ermutigen, die Wunder unserer natürlichen Ressourcen in der Textilverarbeitung zu erkunden. Ich würde es begrüßen, wenn Modehäuser Verfahren wie die Verwendung von Lebensmittelabfällen für Färbefarben einführen und ArchitektInnen, Möbel- und ProduktdesignerInnen die Bedeutung von Energieeffizienz, erneuerbaren Materialien und ganzheitlichen Designansätzen betonen würden. Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewältigung aktueller und zukünftiger globaler Herausforderungen. 

Titelbild: Gefärbte Wolle aus dem Projekt „Waste not“. Foto Caroline Hyde-Brown

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Anna Moldenhauer

stylepark Magazin

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