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Texcycle #11

Recycling-Textilien

04.05.2020

Um die Lücke zu schließen, ist vielleicht die Rückführung alter Materialien in neue Stoffe der entscheidende Schritt. Fasern können mechanisch oder chemisch wiedergewonnen werden. Zunächst gilt es aber, die Hindernisse im Zusammenhang mit Sammlung und Sortierung der ständig wachsenden Textilabfälle zu bewältigen.

Klamotten auf einem Haufen

Mechanisches Recycling

Im Zuge der mechanischen Wiedergewinnung von Fasern verändert sich die grundlegende Struktur des vorhandenen Stoffs nicht. Für Textilien aus reiner Baumwolle und Wolle bedeutet das die Zerkleinerung zu Rohfasern, die dann erneut versponnen und verwoben werden können. Dieses Verfahren kennt man seit dem 19. Jh., als Lumpensammler durch die Städte zogen, um Stoffreste und sogar Tierkörper zusammen zu suchen, damit daraus Bekleidung hergestellt werden konnte. Die mechanische Aufarbeitung von Alttextilien betreiben Fabriken wie The Billie System in China heute im industriellen Maßstab.

Wie Recycling-Baumwolle wird heute auch Recycling-Polyester größtenteils durch mechanisches Recycling gewonnen. Für Polyester bedeutet das aber, die vorhandenen Kunststoffe einzuschmelzen und daraus wieder Fasern zu spinnen. Während Prä-Verbraucher-Abfälle, z.B. Schnittreste, den Großteil der Einsatzstoffe für Recycling-Baumwolle ausmachen, wird Recycling-Polyester meistens aus PET-Flaschen, Post-Verbraucher- und Industrieabfällen hergestellt. Wenn es um Recycling-Polyesterfasern geht, ist Repreve von Unifi die erste Wahl für viele der weltweit größten Marken und Hersteller, darunter Adidas, IKEA, Ford, H&M und Patagonia.

Für mechanisches Recycling ist deutlich weniger Energie erforderlich als wenn man Textilien ganz neu herstellen würde, aber im Verarbeitungsverfahren werden die Fasern verkürzt, was ihre Festigkeit und Qualität gegenüber dem Originalmaterial verringert. Deswegen gibt es bei mechanisch recycelten Textilien oft ein Downcycling zu Materialien wie Wärmedämmung, Reinigungstücher oder Füllstoffe bzw. eine Mischung mit dem Originalmaterial zur Herstellung höherwertiger Textilien. Außerdem können Mischgewebe, Farben und Verunreinigungen nicht getrennt werden, was mit chemischem Recycling möglich ist.

Chemische Fasertrennung

Beim chemischen Recycling werden auf Molekularebene Polymere extrahiert (die Bausteine der Fasern) und zu Primärrohstoffen bester Qualität wiederaufbereitet. Worn Again Technologies (Großbritannien) und The Regenerator, Gewinner des 2018 H&M Foundation Global Change Award, sowie Blend Re:wind von Mistra Future Fashion, beide aus Schweden, haben Wege gefunden, Zellulose und Polyesterpolymere aus Baumwollmischgeweben zu isolieren. Firmen wie Re:newcell (Schweden), Infinited Fiber (Finnland) und Evrnu (USA) – deren NuCycl-Faser im Infinite Hoodie von Stella McCartney x Adidas verwendet wurde – richten ihr Augenmerk darauf, Zellulosefasern aus Baumwolle und Viskose zurückzugewinnen.

Chemisches Recycling von Textilien steht noch ganz am Anfang und ist derzeit teurer als mechanisches Recycling – weil die Technologie aber verspricht endlos neue Fasern aus alten Materialien zu produzieren, erscheint es denkbar, dass Frischfasern eines Tages nicht mehr benötigt werden. In der Zwischenzeit müssen die Anbieter dieser Technologie dafür sorgen, dass alle Prozesschemikalien kontinuierlich in einem geschlossenen Kreislaufsystem verwendet werden, ohne schädliche Nebenprodukte freizusetzen, um die Umweltauswirkungen auf ein Minimum zu begrenzen. Forscher der finnischen Aalto-Universität und der Universität von Helsinki haben auch gezeigt, dass es möglich ist Zellulose mit einem nicht toxischen ionischen Lösemittel aufzulösen, wie es in ihrer Ioncell-Technologie zur Anwendung kommt.

Spenden, sammeln und sortieren

So spannend diese Technologien auch sind, eine wesentliche Hürde im Textilrecycling ist der Textilabfall. Laut Bericht A New Textiles Economy der Ellen MacArthur Foundation aus dem Jahr 2017, landen 87% des Materials für die Bekleidungsproduktion nach Gebrauch auf der Mülldeponie oder werden verbrannt. Von den verbleibenden 13% fließen weniger als 1% in neue Bekleidungsproduktion, der Rest wird zerkleinert und im Downcycling einer geringerwertigeren Verwendung zugeführt.

Deutschland weist mit 75 %, die höchste Sammelquote von gebrauchten Textilien auf. Davon wird aber viel in Niedriglohnländer exportiert und landet dort letztlich auf der Müllkippe. Aktuell gibt es kein nennenswertes Recycling, das aus alter Bekleidung neue Bekleidung macht. Die Sortierung erfolgt manuell, was unglaublich arbeitsintensiv ist. Darüber hinaus führt die mangelhafte Erkennung bestimmter Stoffe häufig zu einer unzureichenden Sortierung. Automatische Sortierungstechniken werden deswegen extrem wichtig sein, um den Wert der Post-Verbraucher-Textilien zu erschließen.

Auf diesen Bedarf gehen drei europäische Pilotprojekte ein: Fibersort (Holland), SIPTex (Schweden) und Resyntex (Deutschland), die derzeit den Einsatz von Nah-Infrarot und visueller Spektroskopie bei der Erkennung und Sortierung großer Mengen von gemischtem Textilabfall nach Fasertyp und Farbe untersuchen.

Die nächsten Schritte

Letztlich geht es darum, dass gar keine Frischfasern mehr hergestellt werden, dass Stoffe nicht auf der Müllkippe landen und Abfall eliminiert wird. Auf der Deponie zersetzen sich synthetische Textilien nicht und können Giftstoffe im Grundwasser und im umgebenden Boden freisetzten, Naturfasern sind zwar biologisch abbaubar, können aber trotzdem hunderte von Jahren brauchen, bis sie sich zersetzen und schädliche Treibhausgase abgeben. Und darüber hinaus ist die Entsorgung teuer – die Kosten für die Deponierung von Bekleidung und Heimtextilien wird zum Beispiel in Großbritannien auf £ 82 Mio. pro Jahr geschätzt.

Recyclingfasern müssen sich weiterhin sowohl qualitativ als auch im Hinblick auf die Produktionskosten verbessern, so dass sie mit neu hergestellten Stoffen mithalten können. Idealerweise sollte es für Produzenten und Verbraucher mehr Anreize für das Recycling bzw. den Kauf von Recycling-Stoffen geben. Marken und Hersteller müssen von Anfang an sicherstellen, dass die Produkte sich für das Recycling eignen. Mögliche Maßnahmen: Es werden ausschließlich Recycling-Stoffe und Monomaterialien verwendet (Mischgewebe landen eher auf der Deponie, solange chemisches Recycling noch nicht wirtschaftlich sinnvoll ist); es wird darauf geachtet, dass der Nähfaden dieselbe Faserzusammensetzung wie der Rest des Kleidungsstücks hat; es wird auf Farbstoffe, Verarbeitungen und Drucke verzichtet, die giftige Chemikalien beinhalten; schwer recyclebare Kleinteilen und Verzierungen, die von Hand entfernt werden müssten, werden sparsam verwendet.

Der Umgang mit Post-Verbraucher-Abfall muss verbessert werden. Daher ist es von elementarer Bedeutung, die Verbraucher zu informieren und zu ermutigen, aktiv am Recycling teilzunehmen. Die Verbraucher könnten mithelfen, die Sortierung zu vereinfachen, indem sie Kleinteile und Verzierungen selbst entfernen und ihre gebrauchten Textilien nach Farbe und Fasertyp trennen. Die Sammelstellen müssten entsprechend angepasst werden. Außerdem müssen standortgerechte Sammelsysteme eingerichtet werden, passend zu den nationalen oder internationalen Recycling-Anlagen.

Von: Mairi Hare im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Sourcebook GmbH und Texpertise Network.

Bild: Bicanski