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Texcycle #9

Nachhaltiger Konsum

28.01.2020

Weil sich die Verbraucher immer stärker bewusst machen, was ihr Kaufverhalten für den Planeten bedeutet, verändern sich die Vorstellungen rund um Kleidung und Besitz. Wir betrachten hier neue Einzelhandelsmodelle und Dienstleistungen für den intelligenten Verbraucher, von Reparaturen und Upcycling bis zur Second-Hand-Mode und Mietkleidung.

2 Mädels sitzen vor einem Haufen Klamotten

Es gilt insbesondere, dass die Haltbarkeit eines Produkts der Schlüssel zu nachhaltigem Konsum ist: je länger etwas benutzt wird, umso länger dauert es, bis der Artikel ausrangiert und ersetzt wird. Das spart Ressourcen und reduziert Abfall. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist eben dasjenige, das schon im Schrank hängt, wie oft zu hören ist – und Unternehmen wie auch Verbraucher profitieren davon.

Laut 2019 Resale Report des weltweit größten Online-Secondhand-Shops thredUP, ist der Secondhand-Bekleidungsmarkt in den letzten drei Jahren 21 mal schneller als der Textileinzelhandel gewachsen und wird, wenn es so weiter geht, die Fast Fashion überholen. Wohltätigkeitsläden, Kofferraumverkäufe, Flohmärkte und eBay verlieren nichts an ihrem Reiz, aber das zunehmende Interesse, Marktplätze wie Depop, Poshmark, Etsy und Grailed online zu durchforsten belegt zweifellos, dass sich die Vorbehalte rund um gebrauchte Kleidung in Luft aufgelöst haben.

Angesichts dieser Tatsache haben Marken wie Worn Wear von Patagonia und The North Face Renewed auch aufgearbeitete Kleidung ins Angebot genommen: zurückgeschickte, beschädigte und/oder fehlerhafte Kleidungsstücke, die professionell gereinigt und instandgesetzt und dann zu einem reduzierten Preis verkauft werden. Neun von zehn Einzelhändlern hoffen, bis zum Jahr 2020 diesen Wiederverkauf anbieten zu können, heißt es im Bericht von thredUP, als zusätzliche Umsatzquelle und für mehr Nachhaltigkeit und Kundentreue. Immer mehr Einzelhändler haben Rücknahmeprogramme für die Wiederverwendung und das Recycling eingeführt, darunter H&M, Marks & Spencer, Eileen Fisher und Levi’s, und belohnen die Kunden mit Rabattgutscheinen, damit diese ihre Kleidung nach der Nutzung zurückgeben.

Wie Autos und Häuser gehören jetzt auch Kleider zur Sharing Economy. Wo Kleiderverleih einst auf formelle Anlässe begrenzt war kann heute alles, von der Kinderbekleidung bis zur Umstandsmode, gemietet werden. Innovative Abo-Dienstleistungen erlauben auch Leuten, die sich nicht gerne binden, ihre Garderobe auf dem neuesten Stand zu halten, ohne dass der Stauraum knapp wird. An der Spitze der Bewegung steht Rent the Runway. Der Online-Service offeriert seit 2009 eine grenzenlose Vielfalt an Looks zu einer monatlichen Abogebühr – ein Modell, das auch von Marken und Einzelhändlern übernommen wurde, z.B. Scotch & Soda und Urban Outfitters mit ihren Scotch Select bzw. Nuuly Abo-Diensten.

Apps mit dem treffenden Namen Rent my Wardrobe (Dallas, Texas) und Tulerie (USA) erlauben den Nutzern, Bekleidung an andere Nutzer in der Nähe weiterzugeben. Dafür spricht einiges: man spart Geld für neue Outfits und kann etwas verdienen, wenn man die eigenen Kleidungsstücke anbietet. Als ein regional eingegrenzter Direktbetrieb entfallen außerdem die Lagerhaltung sowie Fragen der saisonalen Bestandsführung. Zudem sind die Lieferkosten auf ein Minimum reduziert.

Zum Thema Versand behauptet die Forschungsinitiative Mistra Future Fashion, dass in Schweden der Verbraucherverkehr – d.h. mit dem Auto zu den Geschäften zu fahren –11 % der Klimafolgen eines Kleidungsstücks ausmacht. Das ist deutlich weniger als die Produktion, worauf 80 % entfallen, aber immer noch mehr als Vertrieb und Einzelhandel mit 3 %. Ob die CO2-Bilanz des E-Commerce viel besser als der Einkauf im stationären Handel ist, lässt sich schwer messen (weitere Faktoren sind zu berücksichtigen, wie Spezialverpackung, Energieverbrauch des Rechenzentrums und Expresslieferung), doch würde der Konsum im näheren Umfeld, der Gang in den Laden, die Auslieferung per Rad oder zu Fuß die Klimafolgen deutlich verringern.

In Zeiten, in denen Erfahrungen mehr als Besitz zählen und Marie Kondo als die Aufräum-Queen gilt, sollten Marken und Einzelhändler investieren und ihre Kunden beraten und unterstützen. Das könnte Serviceleistungen beinhalten, wie z.B. kostenlose Änderungen und Reparaturen, um die Lebensdauer der Kleidungsstücke zu verlängern. Außerdem „Erlebnisevents im Einzelhandel“, wie die Upcycling-Workshops unter Leitung angesagter Jungdesigner im 50m Concept Store und Mode-Raum in London. Kluge Käufer/Mieter/Verkäufer sehen Bekleidung auch als Investition, was theoretisch zum Kauf und zur sorgfältigen Erhaltung hochwertigerer Kleidungsstücke anregen sollte.

Um nachhaltig zu konsumieren reicht es im Endeffekt einfach, weniger zu kaufen, ganz gleich ob online oder offline, B2C oder C2C – und die Marken müssen auf den intelligenteren Verbraucher reagieren, indem sie langlebige Produkte liefern und Überproduktion beseitigen.

Von: Mairi Hare im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Sourcebook GmbH und Texpertise Network.